Die Freiheit in Deutschland ist tot

Ein Kommentar von Jan Libertad

“Leichtgläubiger ist kein Volk gewesen, und töricht toller kein Anders auf Erden. Untereinander haben sie sich erwürgt, und glaubten redlich ihre Pflicht zu tun”

Napoleon:

Die Deutschen sind ein merkwürdiges Volk – die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte, so würde ein Beobachter von außen wohl vermuten, würde für sie in der Schlussfolgerung münden, grundsätzlich Kritik an autoritären Maßnahmen des Staates zu üben. Von einem Volk, das wie kein anderes in seiner jüngeren Geschichte erleben musste, dass der Baum der Freiheit rasch ins Wanken gerät, wenn das Kollektiv blindlings in eine Richtung stürmt, sollte man doch erwarten, dass es seine in der Verfassung verbrieften Grundrechte bis aufs Blut zu verteidigen bereit ist. An dieser Stelle möchte ich den von mir hochgeschätzten Hendryk M. Broder zitieren: “Wenn ihr euch irgendwann wieder mal fragt, wie es so weit kommen konnte, dann ist die Antwort die: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.”

Grundrechte sind unveräußerlich und dauerhaft – sie gelten entweder jederzeit oder es sind keine Grundrechte. Die Selbstverständlichkeit und Gleichgültigkeit, mit der die Masse der Bevölkerung ihre Einschränkungen hinnimmt, ist erschreckend. Wenn sich dann doch, wie kürzlich in Weimar, ein Richter auf die Verfassung beruft und entgegen der Regierungslinie Recht spricht, wird er medial in die Nähe von Verschwörungstheoretikern und Querdenkern gerückt. Kritik an der Regierung ist unerwünscht. Nicht nur medial, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung hat sich dank der den Deutschen innewohnenden, populistischen Dynamik, eine Regierungstreue zementiert. Sie sind dankbar, dass ihnen endlich die schwere Last der Freiheit und Eigenverantwortung von den Schultern genommen wird. Allen staatlichen Versagens zum Trotz steht die Volksgemeinschaft der Maßnahmenbefürworter, die Reihen fest geschlossen, jenen Individualisten und kritischen Geistern unversöhnlich gegenüber, welche es wagen, Zweifel an Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Freiheitsbeschränkungen zu äußern. Frei nach dem Motto der Demonstranten, welche im Juni 1953 durch die Berliner Stalinallee marschierten: “Unsere Antwort an Provokateure: Festes Vertrauen zur Regierung!”.

Politik und Teile der Medien versuchen unlängst durch geschicktes Framing in die Bevölkerung hineinzuwirken. Nach Orwellschem Neusprech werden Begriffe umgedeutet. Aus Freiheiten werden Privilegien, die uns von der Regierung erst dann großzügig erteilt werden könnten, wenn wir uns nur richtig benehmen. Nicht die erheblichen Grundrechtseinschränkungen müssen täglich begründet werden, sondern die lästigen Forderungen nach einem Ende der Maßnahmen.

Die Politiker haben sich längst an die Situation gewöhnt und – Wer hätte es für möglich gehalten? – Gefallen daran gefunden. Wozu noch der lästige Umweg über das Parlament, wenn man mit einem im Grundgesetz nicht festgelegten Organ willkürlich und intransparent Entscheidungen fällen kann? Welche Rolle spielt Karl Lauterbach in der politischen Landschaft ohne die Coronakrise, die die Menschen allwöchentlich vor den Volksempfänger zieht, um seinen Äußerungen zu lauschen? In welcher Situation kann Markus Söder seinen opportunistischen Exekutivfetisch besser befriedigen als in der dauerhaften Krise, die mit stets dramatisch werdender Rhetorik an das Angstgefühl der Menschen appelliert und sie in die offenen Arme des autoritären Staates treibt?

Es entsteht der Eindruck, dass die Aufklärung und ihr von dem großen, deutschen Philosophen Immanuel Kant geprägter Leitspruch “Sapere aude” im Deutschland des 21. Jahrhunderts langsam aber sicher in Vergessenheit geraten. Zu groß ist die Verlockung der Bequemlichkeit, die eine Einheitsmeinung mit sich bringt – zu widrig die Anstrengungen eines sachlichen Diskurses und das Ringen um die besten Ideen. In Deutschland ist die Freiheit gestorben.

3 thoughts on “Die Freiheit in Deutschland ist tot.”

  1. In manchen Teilen kann ich diesem Text zustimmen, jedoch regen mich andere wiederum an einen Kommentar zu verfassen – denn was gibt es besseres als eine sachliche Diskussion.

    Ich denke, zuallererst müsste man sich auf den gemeinsamen Konsens einigen, dass die Pandemie tatsächlich existiert und auch so gefährlich ist, wie es in den seriösen Medien berichtet wird – jedoch gehe ich in diesem Punkt nicht von Widerspruch aus, richtig?

    Erstmal aber würde ich nicht von einer „Gleichgültigkeit“, sondern von einer „Akzeptanz“ der Maßnahmen in der Bevölkerung reden, da sehe ich zumindest einen deutlichen Unterschied.

    Dann zu dem Weimarer Richter. Über das Gesetz zu reden, diskutieren, debattieren, ja, und auch zu streiten, finde ich im Grunde genommen richtig, jedoch denke ich, wie es auch die Staatsanwaltschaft sieht, kann man nicht jede Einschränkung mit der Begründung „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ abfertigen. So funktioniert das Rechtssystem nicht, denn dieses ist stets ein sorgfältiges Abwägen verschiedener Rechte miteinander. Ebenso finde ich es unangemessen als Amtsrichter bei einer Urteilsbegründung über 5 Seiten Hobbyvirologe zu spielen.

    Aber selbst wenn das Infektionsschutzgesetz formal nicht rechtens wäre (bewusster Konjunktiv), dann sollte man jedoch das Gesetz nach den Bedürfnissen und dem Schutz der Bürger anpassen. Nach dem Motto „Der Mensch war zuerst da, nicht das Gesetz“.

    Zu dem Zwischenteil habe ich nur anzumerken, dass leider ziemlich viel in der Politik schief läuft und ich in der Tat das Potenzial sehe, diese Krise als Politiker zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, dass das aber auch die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht weniger dringend macht.

    Das tägliche Argument liefern schon die Todeszahlen, deren Seriosität ich nicht anzweifle.
    Zudem finde ich das Fordern nach dem Ende der Maßnahmen etwas schwierig, weil das das Ende der Pandemie impliziert. Hierbei wiederum hat eben die Bevölkerung eine große Aktie, wenn auch das fehlende gute Impfkonzept sicherlich am meisten Schuld trägt.

    Von einer „Einheitsmeinung“ habe ich zudem nicht viel mitbekommen, da in dem Öffentlich-Rechtlichem ja tatsächlich ausgiebig über kontroverse Meinungen berichtet wird. Es kommt mir fast so vor, als würde die Querdenkerszene unter Betrachtung der Volksumfragen überproportional viel dargestellt werden, was ja mehr in deren Interesse, als dem der „autokratischen“ Regierung, wäre. Wobei ich ehrlicherweise zugeben muss, dass deren Meinung oft diskreditiert dargestellt wird. Ebenso sehe ich in meinem Umkreis viel Diskussionsbedarf.

    Ich würde nicht sagen in Deutschland ist die Freiheit gestorben, ich würde sagen sie ist lediglich in Quarantäne, um Menschenleben zu retten.

    (Ich habe in dem Artikel keine Quellen angehängt gesehen, deshalb mache ich mir jetzt auch nicht die Mühe 🙂

    1. Sehr geehrter Herr Pleißner,
      vielen Dank für ihre ausfürliche und sachliche Antwort. Bei dem von mir erstellten Text handelt es sich um einen Kommentar und keinen sachlichen Artikel. Aus diesem Grund habe ich auf einen Quellenanhang verzichtet.
      Dass das Coronavirus für bestimmte Personengruppen sehr gefährlich sein kann ist ebenfalls meine Meinung, sodass wir in diesem Punkt d`accord sind. Es stellt sich jedoch für mich eine Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Die pandemische Lage besteht bereits seit etwa einem Jahr. Dennoch gibt es keinerlei Konzepte speziell Risikogruppen zu schützen. Stattdessen wird ein pauschaler Lockdown verhängt, der mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Es gibt zahlreiche Konzepte, wie getrennte Einkaufszeiten für Risikogruppen oder Massentests in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen. Diese wären effektiver und kostengünstiger als ein Lockdown, der dem Staat und den Gewerbetreibenden finanziell schwere Schäden zufügt.
      Ich verweise gern auf die von Prof. John Ioannidis erstellte Studie bezüglich Maßnahmenhärte und Todeszahlen.
      Nur kurz zu dem Richter: mir geht es weniger um das Urteil sondern um die Tatsache, wie mit diese umgegangen wurde. Der Richter wurde medial sofort in die Nähe von Querdenkern und Covidioten gerückt.
      So schwerwiegende Grundrechtseingriffe, wie z.B. Verstoß gegen Reise- und Berufsfreiheit bedürfen einer ständigen Begründung und Überprüfung. Sie müssen in einem offenen wissenschaftlichen Diskurs gerechtfertigt und der Bevölkerung erklärt werden. Dies sehe ich momentan in Deutschland nicht gegeben. Die Parameter für die Begründung de Maßnahmen wechseln ständig. R-Wert, Intensivbetten, Inzidenzwerte oder jetzt Mutationen. Der R-Wert ist aktuell in der Betrachtung absolut irrelevant geworden, während Inzidenzen vor allem von der Testanzahl abhängig sind, sodass es vermutlich wissenschaftlicher wäre sich am Inzidenzwert im Verhältnis zu den durchgeführten Tests zu orientieren. Doch ich bin ebenso wenig Virologe wie Sie und möchte mich hier auch nicht in amateurhaften Debatten bemühen. Mir geht es um die Art und Weise wie unkritisch diese Maßnahmen in Deutschland hingenommen werden. Zum Thema Einheitsmeinung – sie werden es sicherlich mitbekommen haben – Markus Söder hat einen unliebsamen Professor aus dem Ethikrat entfernt. Dieser hatte sich über die Lockdownverlängerung kritisch geäußert. Ich halte ein solches Vorgehen für eine zutiefst gefährlichen weiteren Schritt zu einer unfreien Gesellschaft.

      Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie viel Kraft für die nächsten Wochen und freue mich schon auf Ihre Antwort
      Mit freundlichen Grüßen Jan L.

      1. Lieber Herr Libertad!
        Ich bin sehr positiv überrascht über Ihre schnelle und freundliche Antwort.
        Ich muss auch gestehen, dass ich mit Ihrer Antwort nahezu volkommen übereinsstimme und Ihren Artikel wohl auch aus einer eher undifferenzierten meinung heraus gelesen hatte. Das klingt jetzt so, also wolle ich mich von meinen Anmerkungen differenzieren, das ist aber nicht der Fall…

        Ehrlich gesagt ist es für mich auch ungewohnt gesiezt zu werden, da ich erst knapp 16 bin.

        Freundliche Grüße zurück
        Leonardo P.

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