Mein Tag und meine Erfahrungen im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau

Zum heutigen Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus wollte ich insbesondere aufgrund meines jüdischen Glaubens einige persönliche Worte verlieren und meine Erfahrungen teilen.

Es fühlt sich insbesondere heute surreal an, an diesen Tag zurückzudenken. Insbesondere als Jude zum heutigen Gedenktag. Es war ungefähr Mittag irgendwann im Sommer 2018 als mein Vater und ich das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau besucht haben. Wir hatten einen Fahrer, welcher uns von unserem Hotel in Krakau ca. 1 Stunde dorthin gefahren hat. Mein Vater hat während der Fahrt kaum geredet. Ich hab geschlafen, als der Wagen hielt, wachte ich auf. Ich schaute nach draußen und sah dieses gigantische Tor, welches noch erdrückender in echt aussieht als auf all den Bildern, welche uns nur zu gut bekannt sind.

Ein mulmiges Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit und ich bekam kein Wort raus als wir durch dieses Tor eintraten. Es war ziemlich grau am Himmel und geregnet hatte es bereits, was zynischerweise nur zu gut die Stimmung widerspiegelte, die dort herrschte. Wir waren zuerst in Lager 1. Das sogenannte „Stammlager“ in dem allerhand Menschenexperimente von Demagogen wie Josef Mengele durchgeführt wurden. In jedem der Gebäude waren die Wände tapeziert mit Bildern der Todesopfern. Frauen, Männer, kleine Kinder – Menschen die noch ihr ganzes Leben vor sich hatten, bevor es ihnen so grausam entrissen worden war. Neben den Gesichtern stand das Datum ihrer Deportation und ihr Todestag. Wir fanden unzählige Räume auf, mit Spielzeugen, Klamotten und Haaren, welche den Opfern angeschnitten wurden. An Perversität und Surrealismus war das alles kaum noch zu überbieten.

Unser Begleiter führte uns darauf in das berüchtigte Vernichtungslager (Auschwitz 2). Es war kaum greifbar, dass auf den Schienen, auf denen ich stand, Hunderttausende in die Todeslager eingefahren wurden. Ich war zu sehr in Gedanken und Trauer versunken, um mich über die zu hohe Anzahl an Touristen aufzuregen, welche mit ihren Selfie Sticks und fröhlichen Gruppenfotos auf die unzähligen Massengräber Auschwitzs nur so gespuckt haben. Wir liefen in eine der Baracken, in denen die wenigen Gefangenen gelebt haben, welche nicht sofort in die Gaskammern geführt worden sind. Ich stand wie unter Schock als uns das Krematorium bzw. die Gaskammern gezeigt wurden. Es war auf eine so furchtbar tragische Art überwältigend. Mir war übel und schwindelig und ich bat meinen Vater rauszugehen. Keine Sekunde länger konnte ich dort drin bleiben. Wir liefen eine Weile im freien herum, bevor einer von uns wieder ein Wort heraus brachte. 

Es ist unmöglich vollständig zu realisieren, welches Leid, welche Gräueltaten die Mauern gesehen haben, doch auch nur der Ansatz ist genug, um einem die Luft abzuschnüren und Tränen in die Augen laufen zu lassen. Ich war wütend und frustriert. Ich habe in Deutschland alle Möglichkeiten gehabt, die diesen Menschen verwehrt worden waren. Umso unmöglicher war es, Verständnis dafür aufzubringen, wie wir vor nichtmal allzu langer Zeit zu so etwas im Stande waren. Als Deutscher jüdischen Glaubens habe ich Deutschland – meine Heimat welche ich über alles liebe – an diesem Tag mehr denn je verachtet und verabscheut.

Es ist der jahrelange Zwiespalt in mir zwischen Heimat und Glauben. Zwischen Vergebung und purer Frustration. Danach verschwamm mehr oder weniger alles. Nach diesem Erlebnis war ich kaum noch bei mir, mein Vater und ich beschlossen, wieder zurück zum Hotel zu fahren. Das Lager 3 hätten wir beim besten Willen nicht mehr geschafft. Auf der Rückfahrt war ich völlig in Gedanken versunken und ich glaube an dem Punkt wurde mir klar wie wichtig der Kampf gegen Antisemitismus und Hass im generellen ist. Ich glaube an dem Tag hat sich der Zionismus in mir manifestiert. Nicht nur als bloße „Ideologie“ sondern als reines Streben danach zu überleben. Nichtsdestotrotz können wir Deutschen stolz darauf sein, wie wir all die Verbrechen von damals aufgearbeitet und jüdisches Leben in Deutschland wieder ermöglicht haben. Wer hätte das nur vor 76 Jahren gedacht?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert