Es ist nicht einmal 24 Stunden her, da setzte sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk in einem Podcast mit Tilo Jung zusammen und besprach in den kommenden 3 Stunden unter anderem den aktuellen Krieg in der Ukraine, aber auch die ukrainische Geschichte. Und dann folgten ungeheuerliche Aussagen. Auf die Frage des Moderators, ob der Staat Israel „lügen würde“, weil sie basierend auf historischen Fakten sagen, dass der ukrainische Nazi-Kollaborateur Stephan Bandera hunderttausende Juden umgebracht hat und es diesbezüglich einen allgemeinen Konsens unter Historikern gibt, entgegnete Melnyk schlichtweg: „Nein, das stimmt nicht. Es gibt keine Belege dafür, dass Bandera Juden umgebracht hat.“ Weiter ging es damit, dass der Moderator ein ukrainisches Flugblatt zitierte, welches publiziert wurde, als die deutsche Wehrmacht 1941 in die Sowjetunion einmarschiert sind und auf dem es wie folgt heißt: „Volk, das musst du wissen! Moskoviten, Polen, Ungarn und Juden sind deine Feinde! Vernichte sie! Dein Führer, Stephan Bandera.“ Melnyk betonte daraufhin, dass er sich „nicht distanzieren werde“ und wiederholte noch einmal, dass „Bandera kein Massenmörder war“.
Ich möchte an dieser Stelle in eigener Sache betonen, dass ich in diesem Krieg voll und ganz auf der Seite der Ukraine stehe und auch keinen Nährboden für russische Propagandisten geben will, aber die Verherrlichung des ukrainischen „Führers“ und Nationalsozialisten Stephan Banderas und die Leugnung an der ukrainischen Beteiligung des Holocausts sind zwei Aspekte, welche mich an Teilen der ukrainischen Gesellschaft und Kultur massiv stören. Diese Differenzierung ist richtig und wichtig. Ich glaube nicht, dass diese Ansichten größtenteils aus ideologischer Überzeugung kommen, sondern viel mehr aufgrund fehlender Bildung und dem unsäglichen Leid, welches die Ukrainer unter russischem Joch in den letzten Jahrhunderten durchmachen mussten. Es wird Zeit die eigene Geschichte und auch die eigenen Verbrechen aufzuarbeiten. Denn diese „Ansichten“ sind absolut untragbar, schaden dem ukrainischen Volk in ihrem Überlebenskampf ungemein und spielen russischen Propagandisten und Kriegstreibern nur in die Karten. Denn eines sollte klar sein: Wer als Botschafter ausgerechnet in Deutschland NS-Kollaborateure als „Helden“ bezeichnet und den Holocaust relativiert, gehört des Landes verwiesen.
Vielleicht glaubt Melnyk, mit der Relativierung der russischen Propaganda entgegenzuwirken und sich die internationale Unterstützung zu sichern. Auf den ersten Blick wirkt es ja klüger, das russische Narrativ, dass sie aufgrund der Nazi-Bedrohung in der Ukraine einmarschieren mussten, komplett zu widerlegen. Nazis in der Ukraine? Nie gesehen.
Dabei spielt die Leugnung dieser Wahrheit Putin und den vielen Zweiflern ja in die Hände, denn es gibt Beweise dafür (s. Artikel). Dann denkt man sich: Warum öffentlich Beweise leugnen, wenn es keine Nazi-Verschwörung in der Ukraine gibt?
Melnyk macht sich damit langfristig eher Feinde als Freunde und gefährdet auch seine Causa.
Genau das habe ich mir auch gedacht. Auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sich Melnyks Position zu Bandera nicht erst seit Ausbruch des Krieges „manifestiert“ hat, mag es gut sein, dass er versucht mit dieser skurrilen „Strategie“ der russischen Propaganda entgegenzuwirken. Wie wir nun sehen, war das ein komplettes „Eigentor“. Die Deutschen sind entsetzt, die Russen freuen sich über dieses „Geschenk“. Danke für dein Feedback!
Liebe Grüße
Zweifelsohne ist der Botschafter hier vom Teufel geritten so etwas zu sagen.
Allerdings vermisse ich in dem Artikel die Kommunikation der Tatsache daß es in der Ukraine faktisch keinen Nationalsozialismus oder Antisemitismus gibt.
So ist der Artikel ein starker Nährboden russische Propaganda das die Ukraine aus Nazis besteht.
Ansonsten hat der Autor hier eine sehr gute Arbeit geleistet der Artikel liest sich hervorragend.
Ich betone in dem Kommentar ausdrücklich, dass diese Äußerungen Melnyks tragischerweise ein Nährboden für russische Propagandisten ist. Und vielen Dank für das Kompliment!
Mit freundlichen Grüßen,
Liyun Gothóni